Nach fast dreieinhalbjährigen Verhandlungen hat das Europäische Parlament Ende letzten Monats der größten Reform der Agrarsubventionen seit Jahrzehnten zugestimmt. Diese sieht eine Umschichtung der Gelder zugunsten kleinerer Betriebe vor und belohnt nachhaltige Anbaumethoden.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) wird seit langem dafür kritisiert, dass sie den Großteil der Subventionen an GroßgrundbesitzerInnen und agroindustrielle Unternehmen vergibt.
Die Reform soll das ändern, sagen ihre BefürworterInnen, auch wenn insbesondere grüne Gruppen behaupten, sie tue nicht genug für den Umweltschutz und den Kampf gegen den Klimawandel.
Wie viel Geld fließt wohin?
Die GAP, die etwa ein Drittel des EU-Haushalts 2021-2027 ausmacht, wird 387 Milliarden Euro für Zahlungen an LandwirtInnen und die Förderung der ländlichen Entwicklung ausgeben.
Die neuen GAP-Vorschriften, die ab 2023 gelten werden, zielen darauf ab, Gelder von intensiven landwirtschaftlichen Praktiken auf den Naturschutz zu verlagern und den Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen in der EU um 10 % zu verringern.
Die Reform sieht vor, dass von 2023 bis 2024 20 % der Zahlungen an die Landwirte für “Öko-Regelungen” aufgewendet werden müssen, die in den Jahren 2025 bis 2027 auf 25 % der Zahlungen steigen. Es wird nicht definiert, was ein Ökoprogramm ist, aber Beispiele könnten die Wiederherstellung von Feuchtgebieten zur CO2-Absorption oder der ökologische Landbau sein.
Mindestens 10% der GAP-Mittel sollen an kleinere Betriebe gehen, und alle Zahlungen an Landwirte sollen an die Einhaltung von Umweltvorschriften gebunden sein.
Mit der Reform wird auch ein mit 450 Millionen Euro ausgestatteter Krisenfonds für den Fall geschaffen, dass die Agrarmärkte durch einen Notfall wie eine Pandemie gestört werden.
Neue soziale Dimension
Die neuen GAP-Vorschriften sehen zudem erstmals Kontrollen vor, um zu prüfen, ob auf den Höfen das EU-Arbeitsrecht eingehalten wird. In Zukunft können Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte für LandwirtInnen zu Prämienkürzungen führen. Von dieser neuen sozialen Komponenten profitieren ausländische SaisonarbeiterInnen jedoch vorerst nicht.
Weiter Masse statt Klasse?
Während die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl das neue soziale Element in der EU-Agrarpolitik befürwortet, findet sie sonst nichts Gutes an diesem Paket und kritisiert insbesondere, dass weiterhin 75 % der Gelder rein nach Fläche vergeben werden. Das verstärkt den Trend zur Agrarindustrialisierung: „Das sind Steuergelder, die die Menschen in den Mitgliedsländern erarbeiten, und diese Gelder vergeben wir nicht nach Leistung oder punktgenau, sondern mit der Gießkanne. Das tut so weh, weil die Gelder woanders fehlen.“
Die Grünen bemängeln zudem, dass das Vorhaben der EU klimaneutral zu werden ebenso wenig in der neuen Agrarreform verankert ist, wie eine drastische Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger oder die Wahrung von Artenvielfalt.
Fortschritt oder verpasste Chance?
Fest steht, Bauern und Bäuerinnen können zukünftig ökologischer produzieren – sie müssen es jedoch nicht. Strengere Öko-Regelungen können den LandwirtInnen zudem durch die einzelnen Mitgliedsstaaten auferlegt werden – aber auch das ist unverbindlich. Da der größte Teil der Fördergelder aus Brüssel noch immer nach dem Größenprinzip verteilt wird, gilt darüberhinaus auch weiterhin: Wer mehr hat, bekommt auch mehr. Aus diesen Gründen bleibt abzuwarten, inwieweit die neuen GAP-Vorschriften zum Green Deal und zur Klimaneutralität beitragen.