Deutschland übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli hat Deutschland für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Insgesamt ist es das bereits dreizehnte Mal seit 1958, dass Deutschland den Vorsitz der 27 EU-Staaten übernimmt.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es, nach 2007, die zweite Übernahme. Damals wie heute erfolgte die Übernahme mit hohen Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. 2007 steckte die EU in Ihrer bisher größten Reformkrise und Berlin sah sich der großen Aufgabe gegenüber dennoch den Einigungsprozess innerhalb der EU voranzutreiben und die Wiederbelebung der europäischen Verfassung zu fördern.

Auch jetzt ist Angela Merkel als Krisenmanagerin gefragt, denn Problemthemen gibt es genug: Angefangen bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie, über das immer präsente Thema Umwelt- und Klimaschutz, bis hin zur Flüchtlingssituation.

Hinzu kommt, dass die EU gerade jetzt, wo ein Auftritt als starker, geeinter, solidarischer und handlungsfähiger Akteur in der Welt von besonderer Bedeutung wäre, zerstritten ist, wenn es beispielsweise um die finanziellen Hilfen während der Corona-Krise geht.

Die Übernahme erfolgte also in einer Zeit, die für ganz Europa, aufgrund der Corona-Pandemie, besonders herausfordernd ist.

Diese Herausforderungen nimmt die deutsche Ratspräsidentschaft unter dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ in Angriff.

Aber was bedeutet das genau? Von welchem Rat sprechen wir überhaupt? Mit welchen Aufgaben wird die Bundesregierung konfrontiert werden? Welche Ziele hat Deutschland während der Ratspräsidentschaft?

1. EU- Ratspräsidentschaft - Aber von welchem Rat? Rat der EU? Europäischer Rat? Europarat?

Einen Überblick über alle Institutionen der EU zu behalten ist oftmals gar nicht so einfach. Besonders schwierig wird es aber, wenn die einzelnen Gremien Namen tragen, die sich sehr ähneln! So wird der Rat der Europäischen Union, oder auch Ministerrat, oft mit dem Europäischen Rat verwechselt.

Ersterer setzt sich aus den jeweiligen Fachministern der Mitgliedstaaten zusammen. Der Europäische Rat auf der anderen Seite, ist die Institution der EU-Staats- und Regierungschefs, die die großen Linien vorgibt und sich mit zukunftsbestimmenden Fragen auseinandersetzt.

Der Europarat hingegen ist überhaupt kein Organ der Europäischen Union. Bei dieser dieser Organisation handelt es sich um einen eigenständigen Zusammenschluss europäischer Staaten mit 47 Mitgliedsländern.

2. EU-Ratspräsidentschaft - Was genau bedeutet das?

Die Ratspräsidentschaft, also den Vorsitz im Rat der Europäischen Union, hat jedes halbe Jahr ein anderer EU-Mitgliedsstaat inne.

Je nachdem, aus welchem Bereich Entscheidungen anstehen, ist auch die Zusammensetzung des Rats verschieden. Die Außenminister beispielsweise bilden den “Rat für Auswärtige Angelegenheiten”, während die Wirtschafts- und Finanzminister dem “Rat Wirtschaft und Finanzen” (auch ECOFIN-Rat genannt) angehören.

Insgesamt gibt es, je nach Thema, zehn unterschiedliche Formationen.

3. Was macht der Rat der Europäischen Union?

Das Gremium geht folgenden Aufgaben nach:

  • Aushandeln und Erlassen von EU-Rechtsakten
  • Koordination der Politik der Mitgliedstaaten
  • Entwicklung der gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik
  • Schließen von internationalen Abkommen
  • Feststellung des EU-Haushaltsplans
4. Was sind die Aufgaben eines Landes während der Ratspräsidentschaft?

Für das betreffende Land geht die EU-Ratspräsidentschaft mit viel Verantwortung einher.

Die jeweiligen Fachminister des Mitgliedstaats leiten die Sitzungen der Ratsformationen.

Der zuständige Mitgliedsstaat übernimmt sowohl den Vorsitz und die Leitung der formalen Ministertreffen, aber auch von über 150 Arbeitsgruppen und Ausschüssen des Rates. Darüber hinaus hat das jeweilige Land eine Gastgeberrolle inne, denn informelle Treffen und Konferenzen werden im eigenen Land abgehalten. Außerdem fällt der Ratspräsidentschaft die Aufgabe zu, den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen, insbesondere gegenüber der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament, zu vertreten.

Das Vorsitzland gibt zudem politische Schwerpunkte vor.

Eigene Interessen des Mitgliedsstaates müssen während der Ratspräsidentschaft zurückgestellt werden, da das Land eine Vermittlerrolle einnimmt.

5. Was steckt hinter dem Rotationsprinzip?

Rotierende EU-Ratspräsidentschaft bedeutet, dass ein EU-Mitgliedsstaat für ein halbes Jahr die Präsidentschaft der Europäischen Union innehat. Nach diesem halben Jahr wird rotiert und ein anderes Land übernimmt den Vorsitz. Die Reihenfolge der Präsidentschaften der Mitgliedsstaaten ist langfristig nach dem Rotationsprinzip festgelegt. Dieses besagt, dass alle Mitgliedsstaaten einmal die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, bevor es wieder von vorne losgeht.

Das erklärt sich historisch: Das Amt des ständigen EU-Ratspräsidenten wurde erst mit dem Vertrag von Lissabon 2007 geschaffen. Derzeit ist das der Belgier Charles Michel. Er leitet die Treffen der Staats- und Regierungschefs, also die Gipfel. Vorher wechselte auch der Vorsitz im Europäischen Rat alle sechs Monate. Bei der deutschen Ratspräsidentschaft 2007 hatte Merkel also bei den Gipfeln die Leitung. Jetzt betrifft die rotierende Ratspräsidentschaft formal nur die Ministerräte.

6. Was ist eine Triopräsidentschaft?

Mit dem Ziel eine einheitlichen Politikgestaltung zu schaffen und die Kontinuität sicherzustellen, gibt es seit 2007 sogenannte Triopräsidentschaften: Drei EU-Mitgliedsstaaten, deren Präsidentschaften aufeinander folgen, beschließen dabei Schwerpunkte für ein gemeinsames Arbeitsprogramm für einen Zeitraum von insgesamt 18 Monaten.

Deutschland bildet aktuell zusammen mit Portugal und Slowenien, im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2021, eine Triopräsidentschaft. Das bedeutet, dass Portugal den Vorsitz im Januar 2021 von Deutschland übernimmt, um sechs Monate später, im Juli, wiederum von Slowenien abgelöst zu werden.

7. Welche Ziele verfolgt Deutschland für die Ratspräsidentschaft?

Das übergeordnete Ziel der deutschen Präsidentschaft ist es, Europa stärker, gerechter und nachhaltiger zu machen. Das ursprünglich vorgesehene deutsche Programm musste allerdings aufgrund der Corona-Krise völlig überarbeitet werden. Somit wird auch die deutsche Ratspräsidentschaft anders verlaufen als geplant und sich insbesondere auf die Bewältigung der Pandemie und der daraus resultierenden gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen konzentrieren.

Beim Bewerkstelligen der aktuellen Krise werden zeitgleich Themen eine Rolle spielen, die für die Zukunft Europas von großer Bedeutung sind, wie beispielsweise Klima- und Umweltschutz, Mobilität und Digitalisierung. Gerade bei der Bewältigung der aktuellen Krise werden diese Themen wichtig sein. 

Aktuelle Informationen finden Sie auf der offiziellen Webseite der Bundesregierung zur Deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020.